AUS MEINEM EROTIK – SCHATZKÄSTCHEN
Der Buddhismus lehrt uns Demut. Die Demut zu wissen,
dass wir absolut nichts auf die Dauer festhalten können.
Weder Reichtum noch Macht, weder Liebe noch Schmerz
ist von Dauer. Alles verändert sich und rinnt jedem
durch die Finger, der es festzuhalten versucht.
Von dieser unentrinnbaren Tragik erwächst Trost
nur aus ihrer Allgemeingültigkeit.
Ich war sechzehn und mit ein paar Kumpels zwei Wochen
zum Campen gefahren. An den wunderbaren Starnberger See,
unweit des Dörfchens Ambach.
An diesem denkwürdigen Tag lungerten wir zu dritt
auf dem Ambacher Dampfersteg herum. Es war heiß.
Die Sonne brannte auf den etwa sieben Meter breiten,
aus soliden Holzbohlen gute zwanzig Meter
in den See ragenden Steg. Das Wasser schwappte träge
an den dicken, hölzernen Stützbalken hoch, und es roch
ein wenig venezianisch, nach Moos, Tang und modrigem Holz.
Tommi, blonde Locken, schulterlang, recht muskulös,
etwa 1,75 Meter groß, trug nur eine enge, mit vielen Rissen
und Löchern verzierte Jeans. Seine Gitarre lag neben ihm.
Er hatte trotz seiner erst sechzehn Jahre bereits gut sichtbare
Bartstoppeln im Gesicht und blonden Flaum auf der Brust.
Hugo (eigentlich hieß er Peter) trug seine schwarzen, dicken,
wirren Haare damals etwas kürzer, hatte dafür aber schon
einen dichten Oberlippenbart. Er war trotz der Hitze
wie immer mit einem kurzärmeligen Holzfällerhemd, einer
schwarzen Jeans und schwarzen Motorradstiefeln bekleidet.
Während Hugo seine zwölfsaitige Gitarre bearbeitete,
pöbelte Tommi lieber die vorübergehenden Touristen
und Dampferpassagiere an. Ich schloss mich wahlweise
mal dem einen (ich hatte Bongos und eine Mundharmonica dabei
und sang auch hin und wieder)
und mal, mit einem flotten Spruch, dem anderen an.
Als wieder einmal ein Ausflugsdampfer angelegt hatte,
stand SIE an der Reling. Eine Erscheinung von graziler,
schlanker Gestalt, verpackt in elegantes Schwarz,
etwa 17 Jahre alt, mit langen blonden Haaren.
Als sie über die Laufplanke den schwankenden Dampfer
verließ und das Holz dieses Stegs betrat,
war ich bereits zur Stelle.
Stets bemüht, die ersten Worte an eine Frau,
die beeindruckt werden musste, originell und
selbstbewusst klingen zu lassen – werde ich wohl etwas ähnliches gesagt haben wie:
„Hallo, Du bist bestimmt fremd hier. Kann ich Dich
ein bisschen herumführen und Dir die Sehenswürdigkeiten
zeigen“? Das nun folgende breite Lächeln machte ihr Gesicht
noch attraktiver. Sie ergriff meine ausgestreckte Hand
und ließ sich bereitwillig auf dieses Spielchen ein.
Die ersten und einzigen „Sehenswürdigkeiten“, die ihr
gezeigt wurden, waren natürlich meine Freunde.
Das Gitarrenspiel der beiden (Tommi hatte auch wieder
zur Gitarre gegriffen) schien ihr zu gefallen. Bei deren
Vorstellung erfuhr ich auch ihren Namen, Elena,
und meine Kumpels lie0en es sich nicht nehmen
mich feixend als „Emil – Ritter der Bedeutungslosen –,
Meister der Trommeln vorzustellen.
Anschließend setzte Elena uns Jungs in Kenntnis,
dass sie hier keineswegs fremd war. Sie verbringe jedes Jahr
ein paar Wochen ihrer Ferien hier, wo ihre Eltern
ein kleines Seegrundstück mit Ferienhäuschen,
mit Bootshaus und eigenem Boot besäßen.
„Meine Eltern erwarten mich jetzt zum Mittagessen
im Restaurant „Zum Fischmeister“, gleich hier
am Dampfersteg. Aber ich würde euch gerne wiedersehen“,
sprach sie und ihre Worte entzündeten in meinem Herzen
ein Feuerwerk. „Na wie wär´s, heute in den Abendstunden.
So ab 19 Uhr – wieder hier am Steg? Okay?“
Natürlich waren wir zur Stelle. Sie kam pünktlich
und zeigte uns, dass hier für junge Leute so einiges abging.
Sie schleppte uns drei mit zu Freunden von ihr, die hier ein
Haus gemietet hatten. Da hingen mindestens noch ein Dutzend
Leute ab. Hippies, teils Einheimische, teils Feriengäste.
Die meisten einige Jahre älter als Elena, der Ritter
der Bedeutungslosen und seine Freunde.
Es gab reichlich zu trinken und Marihuana zu rauchen.
Die Leute hier feierten mindestens dreimal die Woche solche
Spontanpartys. Elena und ich wir tanzten, wir tranken,
wir rauchten, wir kifften, wir küssten uns
und verliebten uns „unsterblich“ in einander.
Die nächsten drei oder vier Tage und Nächte verbrachten wir
so oft wie möglich zusammen. Wir liebten uns nachts
im familieneigenen Bootshaus, wo es nach nassem Holz roch
und das leise Schwappen des Bilgewassers nie aufhörte.
Oder wir schwammen unbekleidet im nächtlichen See.
Oder beides.
Eines nachts kletterten wir über die Kirchenmauer, betraten
die kleine Pfarrkirche und ich spielte, nur für sie,
so lange und so laut auf der Kirchenorgel (zum Beispiel:
Jerusalem von Emerson, Lake & Palmer) bis uns der Widerschein
eines herannahenden Blaulichts das Signal
zum schnellen Rückzug gab.
Es war eine Zeit des Lächelns, der Liebe ohne Vorbehalte,
ohne Probleme, ohne Zukunft – nur die Gegenwart existierte.
Als die Ferien endeten, endete auch meine Zeit mit Elena.
Was bleibt? Kein Bedauern.
Eine unfassbar kostbare Erinnerung
- an eine unfassbar kostbare Zeit.
Emil
Der Buddhismus lehrt uns Demut. Die Demut zu wissen,
dass wir absolut nichts auf die Dauer festhalten können.
Weder Reichtum noch Macht, weder Liebe noch Schmerz
ist von Dauer. Alles verändert sich und rinnt jedem
durch die Finger, der es festzuhalten versucht.
Von dieser unentrinnbaren Tragik erwächst Trost
nur aus ihrer Allgemeingültigkeit.
Ich war sechzehn und mit ein paar Kumpels zwei Wochen
zum Campen gefahren. An den wunderbaren Starnberger See,
unweit des Dörfchens Ambach.
An diesem denkwürdigen Tag lungerten wir zu dritt
auf dem Ambacher Dampfersteg herum. Es war heiß.
Die Sonne brannte auf den etwa sieben Meter breiten,
aus soliden Holzbohlen gute zwanzig Meter
in den See ragenden Steg. Das Wasser schwappte träge
an den dicken, hölzernen Stützbalken hoch, und es roch
ein wenig venezianisch, nach Moos, Tang und modrigem Holz.
Tommi, blonde Locken, schulterlang, recht muskulös,
etwa 1,75 Meter groß, trug nur eine enge, mit vielen Rissen
und Löchern verzierte Jeans. Seine Gitarre lag neben ihm.
Er hatte trotz seiner erst sechzehn Jahre bereits gut sichtbare
Bartstoppeln im Gesicht und blonden Flaum auf der Brust.
Hugo (eigentlich hieß er Peter) trug seine schwarzen, dicken,
wirren Haare damals etwas kürzer, hatte dafür aber schon
einen dichten Oberlippenbart. Er war trotz der Hitze
wie immer mit einem kurzärmeligen Holzfällerhemd, einer
schwarzen Jeans und schwarzen Motorradstiefeln bekleidet.
Während Hugo seine zwölfsaitige Gitarre bearbeitete,
pöbelte Tommi lieber die vorübergehenden Touristen
und Dampferpassagiere an. Ich schloss mich wahlweise
mal dem einen (ich hatte Bongos und eine Mundharmonica dabei
und sang auch hin und wieder)
und mal, mit einem flotten Spruch, dem anderen an.
Als wieder einmal ein Ausflugsdampfer angelegt hatte,
stand SIE an der Reling. Eine Erscheinung von graziler,
schlanker Gestalt, verpackt in elegantes Schwarz,
etwa 17 Jahre alt, mit langen blonden Haaren.
Als sie über die Laufplanke den schwankenden Dampfer
verließ und das Holz dieses Stegs betrat,
war ich bereits zur Stelle.
Stets bemüht, die ersten Worte an eine Frau,
die beeindruckt werden musste, originell und
selbstbewusst klingen zu lassen – werde ich wohl etwas ähnliches gesagt haben wie:
„Hallo, Du bist bestimmt fremd hier. Kann ich Dich
ein bisschen herumführen und Dir die Sehenswürdigkeiten
zeigen“? Das nun folgende breite Lächeln machte ihr Gesicht
noch attraktiver. Sie ergriff meine ausgestreckte Hand
und ließ sich bereitwillig auf dieses Spielchen ein.
Die ersten und einzigen „Sehenswürdigkeiten“, die ihr
gezeigt wurden, waren natürlich meine Freunde.
Das Gitarrenspiel der beiden (Tommi hatte auch wieder
zur Gitarre gegriffen) schien ihr zu gefallen. Bei deren
Vorstellung erfuhr ich auch ihren Namen, Elena,
und meine Kumpels lie0en es sich nicht nehmen
mich feixend als „Emil – Ritter der Bedeutungslosen –,
Meister der Trommeln vorzustellen.
Anschließend setzte Elena uns Jungs in Kenntnis,
dass sie hier keineswegs fremd war. Sie verbringe jedes Jahr
ein paar Wochen ihrer Ferien hier, wo ihre Eltern
ein kleines Seegrundstück mit Ferienhäuschen,
mit Bootshaus und eigenem Boot besäßen.
„Meine Eltern erwarten mich jetzt zum Mittagessen
im Restaurant „Zum Fischmeister“, gleich hier
am Dampfersteg. Aber ich würde euch gerne wiedersehen“,
sprach sie und ihre Worte entzündeten in meinem Herzen
ein Feuerwerk. „Na wie wär´s, heute in den Abendstunden.
So ab 19 Uhr – wieder hier am Steg? Okay?“
Natürlich waren wir zur Stelle. Sie kam pünktlich
und zeigte uns, dass hier für junge Leute so einiges abging.
Sie schleppte uns drei mit zu Freunden von ihr, die hier ein
Haus gemietet hatten. Da hingen mindestens noch ein Dutzend
Leute ab. Hippies, teils Einheimische, teils Feriengäste.
Die meisten einige Jahre älter als Elena, der Ritter
der Bedeutungslosen und seine Freunde.
Es gab reichlich zu trinken und Marihuana zu rauchen.
Die Leute hier feierten mindestens dreimal die Woche solche
Spontanpartys. Elena und ich wir tanzten, wir tranken,
wir rauchten, wir kifften, wir küssten uns
und verliebten uns „unsterblich“ in einander.
Die nächsten drei oder vier Tage und Nächte verbrachten wir
so oft wie möglich zusammen. Wir liebten uns nachts
im familieneigenen Bootshaus, wo es nach nassem Holz roch
und das leise Schwappen des Bilgewassers nie aufhörte.
Oder wir schwammen unbekleidet im nächtlichen See.
Oder beides.
Eines nachts kletterten wir über die Kirchenmauer, betraten
die kleine Pfarrkirche und ich spielte, nur für sie,
so lange und so laut auf der Kirchenorgel (zum Beispiel:
Jerusalem von Emerson, Lake & Palmer) bis uns der Widerschein
eines herannahenden Blaulichts das Signal
zum schnellen Rückzug gab.
Es war eine Zeit des Lächelns, der Liebe ohne Vorbehalte,
ohne Probleme, ohne Zukunft – nur die Gegenwart existierte.
Als die Ferien endeten, endete auch meine Zeit mit Elena.
Was bleibt? Kein Bedauern.
Eine unfassbar kostbare Erinnerung
- an eine unfassbar kostbare Zeit.
Emil