Schriftsteller | Autor

AUS MEINEM EROTIK – SCHATZKÄSTCHEN
oder Episode aus der Periode – als ich noch auf der Suche nach Mrs. Right war.

Liebe und Freiheit – dozierte Epikur - sind zwar nicht entgegen gesetzte Punkte, und schließen sich
nicht aus, aber je mehr man sich, vom zentralen Punkt aus, der Liebe nähert, desto weiter entfernt
man sich von der Freiheit, und umgekehrt. Er zeichnete folgendes Diagramm

Bildschirmfoto 2025-06-11 um 11.07.01

Meine Nächste hieß Pia.

Es geschah an einem verschneiten Februar-Samstag.
Meine Band-Kollegen, Tommi, Kicker, Hugo, der Schorsch
und ich waren auf Achse und besuchten mal wieder das „TABURIN“.

In diesem kulturellen Überbleibsel aus der Nachkriegs - Präsenzphase
der amerikanischen Besatzungstruppen gab es Samstags immer
„Jam-Session“. Es fanden dort also regelmäßig musikalische Vorträge,
willkürlich und spontan zusammengestellter Bandformationen statt.

Etwa 90% des Publikums und der Künstler waren Farbige und die Musik
bewegte sich zwischen Soul, Funk und Motown-Ryth`m & Blues.

Wieder mal staunten wir, mit welcher Selbstverständlichkeit die „Black Boys“
auf der Bühne einen unheimlichen Groove erzeugen konnten.
Das versetzte uns „weiße Rocker“ immer wieder in musikalisch-orgiastische
Verzückung. Bereits nach 20 Minuten fühlten wir uns nach New Orleans,
Louisiana oder Kentucky versetzt.

Diese unglaubliche Musik und diese Verzauberung hielt mich
schon einige Zeit auf der Tanzfläche fest -
als mir bewusst wurde, dass ich schon seit Längerem
ein sehr reizvolles Gegenüber besaß. Eine Hammer-Frau.
Als ich sie bemerkte, lächelte sie und blickte mir in die Augen.

Boom! Da geschah es wieder. Mein eigener Körper, der Verräter,
schaltete auf Fortpflanzungsmodus und verwandelte,
mittels einer Hormonausschüttung mein Gehirn
(das ja nicht weglaufen konnte) in einen funktionsarmen Klumpen,
der gerade noch die Kontrolle der Primärsysteme gewährleisten konnte,
während die eigentlichen Befehle an anderer Stelle erteilt wurden.

Da es ihr aber anscheinend ebenso erging, dauerte es höchstens
eine Stunde bis wir meine Wohnung in der Westendstraße erreichten.
Wir verbrachten den restlichen Abend, die Nacht und große Teile
des folgenden Sonntags völlig ohne Kleidung, meist im Bett - um uns,
nicht nur verbal
(sie hieß Pia), einander angemessen vorzustellen.

Sie war drei Jahre älter als ich und der exotischste, schokobraune
Gen-Cocktail der mir jemals begegnet war. Ihr Vater, einer jener
farbigen GI`s, welche etliche Jahre in München stationiert waren
und in der „Ami-Siedlung“ in Obergiesing eine relativ luxuriöse
Unterkunft bewohnt hatte, kehrte nach Ablauf seiner Dienstzeit
(Pia war erst 12) wieder in die Vereinigten Staaten zurück.

Ich vermisste ihn erst als er weg war. Sagte sie zu mir.
Aufgewachsen war sie aber sowieso hauptsächlich
bei der Gypsy-Sippe ihrer Mutter, einer Roma und Zirkusartistin.
Als kleines Kind von 5 oder 6 Jahren war Pia bereits gefeierte
Hauptdarstellerin bei einem Artistenspektakel und schwebte,
nur von einer „Gebissstange“ gehalten, über ein Stahlseil
von der Münchner Rathaus-Turmspitze zum Marienplatz hinab.
Die Medien berichteten darüber und waren ganz vernarrt in die hübsche Kleine.

In den 70-er Jahren hatte sie oft Komparsenrollen oder kleinere
Engagements als Tänzerin und lernte dabei „Donna Summer“ kennen.
Diese tanzte und sang
(damals noch als Donna Gaines) eine der weiblichen
Hauptrollen in diesem aufregenden neuen amerikanischen Musical „Hair“,
das monatelang im „Deutschen Theater“ in München gastierte. Donna,
übrigens auch das spektakuläre Model in der Afri-Cola-Werbung –
war überaus populär und erreichte zu dieser Zeit auch den konservativsten
deutschen Michl - zuhause in seiner eigenen Flimmerkiste –
und bescherte so manchem Kleinbürger
so etwas wie Spätkolonial-Erotische Anwandlungen.

Sie wurden Freundinnen und teilten sich sogar fast ein Jahr lang ein Zimmer.
Die beiden hübschen farbigen Tänzerinnen gehörten bald zur damaligen
Münchner Bohéme und machten die Bekanntschaft sehr vieler wichtiger
und unwichtiger Leute.
Pia machte zu dieser Zeit auch Bekanntschaft mit den harten Drogen,
Cocain & Heroin, der Pest des ausgehenden 20-ten Jahrhunderts.
Als ich sie kennenlernte war sie bereits viele Jahre durch den Drogensumpf
gewatet, hatte mehrere Entzüge hinter sich gebracht,
hatte es nicht geschafft davon wegzubleiben, alles verloren,
war in der Gosse gelandet, Beschaffungskriminalität, Prostitution,
war aufgegeben worden aber trotzdem vorwärts getaumelt
und hatte sich aus eigener Kraft in Therapie begeben.
Sie wohnte zu dieser Zeit in einer „ConDrops“ Wohngruppe -
Nähe Maria-Hilfplatz und galt erst seit Kurzem wieder als „Clean“.

Zweifellos liebte sie mich sehr, aber sie konsumierte meine Liebe
wie eine Ertrinkende und brauchte davon mehr & mehr;
mehr als ich zu bieten hatte. Sie brauchte einen Halt,
einen charakterlichen Fels in der Brandung, einen Vaterersatz,
einen Therapeuten, einen Freund und einen Partner der langfristig,
bedingungslos für sie da war. Sie brauchte einen Beschützer und
früher oder später wohl auch einen Ernährer. Das alles sollte ich für sie sein –
ICH ? Ich war noch ein Teenie - da führte noch gar kein Weg hin.

Sie machte mir einen Antrag,
(wie romantisch!) sie wollte mich heiraten,
ganz harmlos und ohne Standesamt, nur nach „Roma-Sippen-Recht“.
- „Oh ja bitte, es verpflichtet dich ja zu nichts!“ Behauptete sie.
Ich war skeptisch. Fühlte mich geschmeichelt und doch eher abgeneigt.
Da gab es doch sicher noch irgendwo das Kleingedruckte. Außerdem!
Ich war eben noch weit, weit weg von der Bereitschaft - Verantwortung
für mehr als mein eigenes Leben übernehmen zu wollen.

Ich kannte sogar jemanden aus ihrer Sippe, den Eddie.
Ein überaus schräger Vogel. Musiker. Mischte zusammen mit einigen Freunden
bei verschiedenen Jam-Sessions mit und so hatte ich bei ein paar Gelegenheiten
mit ihm zusammengespielt. Außerdem liefen wir uns immer wieder über den Weg,
weil wir dieselben Stammlokale hatten.
Man stelle sich Danny deVito einen Touch südländischer
und maximal 5 cm größer vor, mit vollen schwarzen zotteligen Haaren
und dunklem Teint, dann sieht man Eddie vor sich.
Er nahm mich zur Seite und erklärte mir im Plauderton:
„Wenn du meine kleine Pia enttäuschst, befreie ich dich von deinen Genitalien.
Hast du verstanden!“, fragte er lächelnd.

Er war klein, stets freundlich, liebenswürdig lächelnd und knallhart.
Er hatte einen völlig anderen Lebensplan als ich oder irgendjemand den ich kannte.
Er war Zocker, Back Gammon, Poker, Black Jack, usw... das war sein Metier.
Er spielte Billard
(auch gegen mich) aber aus Prinzip nie ohne Einsatz,
pro Spiel 50 Mäuse, bei Zuhältern oder geborenen Opfern gern auch mal 200
oder mehr. Er verkaufte alles mögliche - an alle möglichen Leute.
Mal kam er zu uns mit einem Kofferraum voller Lederjacken oder Cowboystiefel;
erstklassige Ware übrigens. Er vertickte Rolex-Uhren oder Handfeuerwaffen
an die Münchner Unterwelt; er besuchte die Bordelle mit einer Ladung Pelzmäntel
und Schmuck.
Und angeblich verkaufte er auch noch Informationen aller Art an die Kripo.

Auch Eddie, der Pia schon seit ihrer Kindheit kannte, und der mich mochte,
soweit Eddie jemand mögen konnte der nicht zu seiner Sippe gehörte.
Jedenfalls er riet mir von der „Hochzeit“ ab. Er meinte, falls die Beziehung
schief geht, könnte ich mich dann, sollte sie sauer auf mich sein, nirgendwo
auf der Welt mehr sicher fühlen, da es überall Roma Sippen gibt.

Und die Beziehung ging schief:
- Ich hielt ihre bedingungslose Nähe nicht aus. Sie klebte an
mir wie die sprichwörtliche Fliege an der Schei... Sie machte
alles in ihrem Leben plötzlich von mir abhängig und so löste
ich mich dann nach einigen Monaten so behutsam aus ihrem
Klammergriff wie ich konnte.

Und sie war sauer auf mich:
- Tränen, Geschrei, Selbstmord-Drohungen, „Du bist schuld
wenn ich jetzt wieder Rückfällig werde!“... usw.... Sie warf mit
Gegenständen nach mir. Zertrümmerte meinen Plattenspieler.
Es war eine äußerst unangenehme neue Erfahrung für mich.

Aber ich kann mich trotzdem noch überall auf der Welt sicher fühlen -
- Danke Eddie!

Emil