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PETER PAN (-Splitter im Selbstbild)

Als kleines Kind träumte ich davon fliegen zu können.
Auch im Wachen. Weniger ein zielgerichtetes
Superhelden Flugspektakel als vielmehr ein schwereloses
„sich Erheben“ schien im Traum mein Naturell.
Die erstaunten Augen in den erhobenen Gesichtern meiner Freunde
blickten zu mir nach oben.

Später hob mich mein exaltiertes Naturell
und mein multiples künstlerisches Talent (partiell)
aus der Masse meiner Zeitgenossen.
Aber dieses Erheben allein genügte nicht,
denn zum Talent gesellte sich Fleiß und Ehrgeiz
nicht im gleichen Maß und meinen Betrachtungen
und Studien fehlte die Konsequenz.

Nach Höherem strebte ich auch stets bei meinen
Partnerschaften. Umgangsformen, Selbstvertrauen, Stil
und Auftreten einer Frau, zogen mich stets mehr an
als körperliche Attribute.
Zumindest auf dem „zweiten Blick“.

Tatsächlich zog es mich nie zum „Mainstream“ hin.
Im Gegenteil, diesbezügliche Einschränkungen
in Mode- oder Meinungsfragen fand ich bestenfalls amüsant
(es bei anderen zu beobachten).
Durchschnitt + Mittelmäßigkeit fand ich immer zum kotzen.
Mein Werdegang (so träumte ich) sollte um die vielen Bereiche
der Gewöhnlichkeit herumführen.Verstand,
Mut und Kraft sollten mir einen Weg bahnen,
eine Schneise leichten Lebens, zwischen Spinnern,
Spießern, Bucklern, Deppen, Maulhaltern & Maulhelden,
Beamten, Opportunisten und Zweihundert-prozentigen hindurch.

Bereits als Jugendlicher vertrat ich in Diskussionen
häufig die Meinung, dass der konservative Weg durchs Leben
vollkommen ungerecht und jeglichem Wohlergehens
des Individuums abträglich ist.
Wenn man voll „Saft und Kraft“ ist, also in der Jugend,
muss der Durchschnitts-Zeitgenosse schwer arbeiten
um sich Anerkennung, Wohlstand und einen Platz
in unserer Gesellschaft zu verdienen.
(Es sei denn man wird mit einem goldenen Löffel
im Mund geboren und mit größerem Erbe gesegnet)

Dieser Kampf geht nahtlos in die Versorgungsanstrengungen
für den Nachwuchs über und füllt den gewöhnlichen Sterblichen
bis zum Erreichen des Rentenalters vollkommen aus.
Kaum im Ruhestand öffnet sich in aller Regel
die ganz persönliche Büchse der Pandora und verwandelt
unseren Musterrentner in ein kränkliches Wrack,
der weder Ruhestand noch den erarbeiteten Geldsegen
genießen kann und binnen kurzem auch für seine Familie
zur Belastung wird.

Welch unwürdige Zukunftsprognose!
Lieber wollte ich den Spieß umdrehen und mich amüsieren
solange es geht und erst später, im Alter
(für mich damals so ab 40) arbeiten - bis es Zeit wird
ans Ableben zu denken.

Und so ähnlich habe ich es auch tatsächlich hingekriegt.
Zumindest wenn man den Begriff „Arbeit“ nicht zu eng definiert.
Fatalerweise liegt die schöne und leichte Zeit, die ich beinahe
fünfzig Jahre lang genießen durfte, bereits hinter mir.
Die Phase des späten Malochens hab ich allerdings nur kurz gestreift.
Dabei musste ich mich reduzieren; meinen Talenten, Vorlieben
und Besonderheiten größtenteils abschwören.

Jetzt kommt die Zeit der Neuorientierung, denn meiner
Selbstdefinition fehlen neue positive Impulse.
Das tödliche Gift von Routine und Gewohnheit sickerte
unmerklich aber unaufhaltsam in mein Leben.

Die Suche nach Nebenräumen der Wirklichkeit erweist
sich als langwierig. Meditation, Drogen, Alkohol, Musik –
wo bleibt dieser Klick in meinem Kopf –
das Geräusch des Schlüssels, mit dem sich geheime Türen öffnen
und mystische Bereiche auftun, von deren Existenz
die Schulweisheit nichts ahnt?

Aber wie soll ich mich jetzt noch in die Luft erheben,
selbst wenn ich es noch könnte,
hinge zu viel Ballast an meinem Bein.

„Sobald du auch nur eine Sekunde daran zweifelst,
dass du fliegen kannst, wirst du es für immer verlernt haben!“
J.M. Barrie (1860-1937), schottischer Schriftsteller, Autor von Peter Pan

Emil